Nach fast drei Jahren Unsicherheit und einem juristischen Schlagabtausch haben die Mieter einer Berliner Wohnung einen wichtigen Etappensieg errungen. Obwohl die Vermieterin ihnen bereits im Februar 2021 wegen Eigenbedarfs gekündigt hatte, entschied das Landgericht Berlin II, dass sie weiterhin in der Wohnung bleiben dürfen – zumindest vorerst (Az. 67 S 264/22). Der Grund: Die Mieter hatten trotz großer Anstrengungen keine neue Wohnung gefunden. Während die Kündigung als wirksam anerkannt wurde, setzte das Gericht das Mietverhältnis wegen des Mangels an zumutbarem Ersatzwohnraum für weitere zwei Jahre fort.
Eigenbedarfskündigung und Widerspruch der Mieter
Die Vermieterin sprach die Eigenbedarfskündigung am 18. Februar 2021 aus, mit einer Kündigungsfrist bis zum 30. November 2021. Die beiden Mieter, die bereits seit vielen Jahren in der Wohnung lebten, legten am 27. September 2021 fristgerecht schriftlich Widerspruch ein. Sie argumentierten, dass es ihnen aufgrund der angespannten Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt nicht möglich sei, angemessenen Ersatzwohnraum zu finden.
Vorgetäuschter Eigenbedarf – Wie können sich Mieter wehren?
Kündigung als formunwirksam abgewiesen
Nach Ablauf der Kündigungsfrist erhob die Vermieterin eine Räumungsklage beim Amtsgericht Mitte. Das Amtsgericht wies die Klage jedoch am 8. September 2022 ab und erklärte die Kündigung für formunwirksam. Die Vermieterin legte daraufhin Berufung beim Landgericht Berlin ein.
Eigenbedarfskündigung als wirksam anerkannt
Im Berufungsverfahren stellte das Landgericht Berlin fest, dass die Eigenbedarfskündigung tatsächlich formell wirksam war. Allerdings ordnete es dennoch an, das Mietverhältnis für zwei weitere Jahre – bis zum 31. Januar 2026 – fortzusetzen. Das Gericht stützte seine Entscheidung auf die sogenannte Sozialklausel (§ 574 BGB), die eine Fortsetzung des Mietverhältnisses erlaubt, wenn für den Mieter eine unzumutbare Härte besteht.
Härtefall – Kein zumutbarer Ersatzwohnraum
In diesem Fall argumentierten die Mieter erfolgreich, dass sie trotz intensiver Suche keinen angemessenen Ersatzwohnraum finden konnten. Seit Mai 2021 hatten sie sich auf insgesamt 244 Wohnungen beworben – ohne Erfolg. Dies bekräftigte das Gericht als Beweis dafür, dass die Wohnraumsuche für die Mieter, insbesondere aufgrund des extrem angespannten Berliner Wohnungsmarkts, erfolglos geblieben war. Das Gericht stellte fest: „Angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen war für die Mieter bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht zu beschaffen.“
Wohnungssuche erfolglos
Die Mieter hatten ihre Bemühungen über einen Zeitraum von fast drei Jahren intensiviert und insgesamt 244 Bewerbungen bei kommunalen und privaten Vermietern in Berlin und dem Umland eingereicht. Zusätzlich hatten sie versucht, über das „Geschützte Marktsegment“ (GMS) eine Wohnung zu finden, was ebenfalls scheiterte.
Nettokaltmiete auf marktübliches Niveau angehoben
Neben der Fortsetzung des Mietverhältnisses entschied das Gericht auch in einem Punkt zugunsten der Vermieterin: Die bisherige Nettokaltmiete von rund 300 Euro wurde auf 458,30 Euro monatlich erhöht, um sie an das ortsübliche Niveau anzupassen. Das Gericht stellte fest, dass die bisherige Miete deutlich unter der Marktmiete lag und dies für die Vermieterin nicht mehr zumutbar war.
Ortsübliche Vergleichsmiete – was ist marktüblich?
Interessenabwägung
Ein wichtiger Faktor für die Entscheidung des Gerichts war, dass der Eigenbedarf der Vermieterin nicht besonders dringlich war. Die Vermieterin wollte ihre Wohnsituation in Berlin verbessern, verfügte jedoch über zwei Wohnsitze – einen in Berlin und einen in einer anderen Stadt. In der Interessenabwägung wurde dies zugunsten der Mieter bewertet. Das Gericht stellte fest, dass der Mieter stärker geschützt werden müsse, insbesondere vor dem Hintergrund einer drohenden Wohnungslosigkeit.
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