Vorgetäuschter Eigenbedarf – Wie können sich Mieter wehren?
Eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters ist wohl der Albtraum jeden Mieters. Die Mieter müssen die Wohnung innerhalb einer bestimmten Frist räumen, da der Vermieter oder dessen Angehörige die Wohnung selbst benötigen. Doch was, wenn sich herausstellt, dass eigentlich gar kein Eigenbedarf des Vermieters vorliegt?
Inhaltsverzeichnis
Was ist Eigenbedarf?
Vermieter dürfen den von ihnen vermieteten Wohnraum für sich beanspruchen, wenn sie selbst oder ihre Angehörigen die Wohnung beziehen sollen (§ 573 BGB). Darüber hinaus kann der Vermieter ebenfalls Eigenbedarf anmelden, wenn Personen in die Wohnung ziehen sollen, zu denen besonders enger Kontakt besteht (BGH, Az.: VIII ZR 247/08). Hierzu gehören auch Kinder von Lebenspartnern oder Pflegepersonal. Mehr dazu unter Eigenbedarfskündigung
Wann ist Eigenbedarf vorgetäuscht?
Kündigt ein Vermieter das Mietverhältnis auf Grund seines Eigenbedarfs für den Wohnraum, müssen die Mieter die Wohnung innerhalb einer bestimmten Frist aus der Wohnung ausziehen. Diese Frist ist abhängig davon, wie lange die Mieter die Wohnung bewohnten. Stellt sich jedoch heraus, dass der Vermieter den Eigenbedarf nur vorgetäuscht hat, um die Mieter aus der Wohnung herauszuschmeißen oder die Wohnung anderweitig zu vermieten, kann dies rechtliche Konsequenzen haben.
Münchener Modell
Ein Methode Eigenbedarf vorzutäuschen ist das sog. „Münchener Modell“. Bei dieser Variante wurden Mietshäuser von Personengesellschaften gekauft, um es als Eigentum zu nutzen. Die gekaufte Immobilie soll als eigene Wohnung genutzt werden. Hierbei kündigen die Vermieter ihren Mietern noch bevor das Wohngebäude in ein Eigentumsobjekt umgewandelt wurde. Sobald die Wohnungen dann in Eigentumsmodelle umgewandelt wurden, vermieteten die Eigentümer diese an andere Personen weiter. Diese Methode diente der Umgehung des Mieterschutzes nach § 577 BGB (Vorkaufsrecht für Mieter), trotz der Tatsache, dass vorgetäuschter Eigenbedarf vorlag.
Münchener Modell: Rechtliche Folgen
Eine Ergänzung des § 577 BGB sorgt seit 2013 dafür, dass das Vermieter nicht mehr über das Münchener Modell von Gesetzeslücken profitieren können. So lautet § 577 Abs. 1 BGB nun:
Werden vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, an einen Dritten verkauft, so ist der Mieter zum Vorkauf berechtigt. Dies gilt nicht, wenn der Vermieter die Wohnräume an einen Familienangehörigen oder an einen Angehörigen seines Haushalts verkauft. […]
Nach dem Verkauf einer Immobilie kommt es zu einer 3-jährigen Sperrfrist für Eigenbedarfskündigungen, wenn die Wohnungen vor dem Verkauf in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden. Der Mieterschutz greift allerdings hierbei nicht, wenn die Wohnung schon vor der Anmietung Eigentum war oder Familienangehörige bzw. Angehörige des Haushalts zu den Käufern gehören.
Vorgetäuschter Eigenbedarf: Wie herausfinden?
Vorgetäuschter Eigenbedarf lässt sich vor allem feststellen, wenn die Wohnung plötzlich an jemand außerhalb des oben genannten privilegierten Personenkreises vermietet wurde oder einfach weiterhin leer steht.
Schadenersatz bei vorgetäuschtem Eigenbedarf
Stellt sich heraus, dass der Vermieter den Eigenbedarf nur vorgetäuscht hat, kann der Mieter Anspruch auf Schadenersatz haben (BGH, Beschl. vom 10. 05.2016, Az.: VIII ZR 214/15). Die Summe der Schadenersatzforderung ist abhängig von Mietdauer, Prozess- und Umzugskosten (LG Saarbrücken, Urteil vom 21.1.1994, Az.: 13 B S 281/93, WuM 1995, 173). Der Vermieter macht sich außerdem des Betrugs schuldig.
Vorgetäuschter Eigenbedarf: Verjährung
Die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche bei vorgetäuschtem Eigenbedarf beträgt gemäß § 195 BGB 3 Jahre. Diese Frist beginnt mit Abschluss des Jahres, in dem der Schadenersatzanspruch zustande gekommen ist.
Vorgetäuschten Eigenbedarf nachweisen
Damit Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können, muss vorgetäuschter Eigenbedarf belegt werden können. Der Mieter muss diese Beweise vorlegen (BGH, 18.05.2005, Az.: VIII ZR 368/03). Da der Mieter nicht in das Recht auf Privatsphäre des Vermieters eingreifen darf, empfehlen sich die folgenden Wege Beweise für einen vorgetäuschten Eigenbedarf zu sammeln:
Immobilienportale kontrollieren
Wird die Wohnung auf Immobilienportalen angeboten, sucht der Vermieter augenscheinlich nach anderen Vermietern und seine Eigenbedarfserklärung ist anfechtbar.
Klingelschild der Wohnung
Steht ein anderer Name auf dem Klingelschild der Wohnung als in der Eigenbedarfserklärung angegeben, kann dies auf vorgetäuschten Eigenbedarf hindeuten.
Nachbarn befragen
Die Nachbarn der betreffenden Wohnung haben möglicherweise Informationen darüber, wer nun die Wohnung bewohnt.
Grundbuch kontrollieren
Liegt begründetes Interesse vor, kann Einblick in das Grundbuch gewährt werden. Dieses kann Aufschluss darüber geben, wer die Wohnung aktuell bewohnt.
Auch interessant
- Kündigungsgründe – wann der Vermieter kündigen darf
- Sonderkündigungsrecht des Mietvertrages
- Mietaufhebungsvertrag alternativ zur Kündigung
- Eigentümerwechsel – Auswirkungen auf den Mietvertrag
Häufige Fragen zum Thema
Welche Rechte haben Mieter bei vorgetäuschtem Eigenbedarf?
Hegen Mieter Zweifel an der Eigenbedarfskündigung ihres Vermieters, können sie dagegen gerichtlich vorgehen und Schadenersatzansprüche geltend machen. Dafür müssen sie ihre berechtigten Zweifel jedoch nachweisen können.
Vorgetäuschter Eigenbedarf: wie beweisen?
Um vorgetäuschten Eigenbedarf zu beweisen, können Mieter aktuelle Immobilieninserate kontrollieren. Zudem können sie das Klingelschild am Hauseingang überprüfen oder ggf. Nachbarn nach den aktuellen Bewohnern der Mietsache fragen.
Titelbild: Antonio Guillem/ shutterstock.com