Gerade, wenn es im Winter geschneit hat oder der Schnee- und Eisregen grüßt, stellt sich die Frage, wer für die Sicherheit im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht sorgen muss. Schnee räumen bzw. Sand oder Salz streuen gehört an verschneiten und regnerischen Wintertagen zur Tagesordnung.
Inhaltsverzeichnis
Wer hat Verkehrssicherungspflicht?
In der Regel hat die Gemeinde, Kommune oder Stadt eine Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Gehwege. Dadurch ist sie verpflichtet, Gefahrenquellen auf öffentlichen Wegen zu erkennen und zu beseitigen. Dies Verkehrssicherungspflicht wird aber regelmäßig im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten über die Gemeindesatzung auf die Hauseigentümer abgewälzt, die diese wiederum an die Mieter delegieren können. Hat die Gemeinde oder Kommune die Räum- und Streupflicht bei Wintereinbruch jedoch nicht auf den Eigentümer übertragen, ist dieser auch nicht verpflichtet, mit dem Streuen und Räumen von verschneiten öffentlichen Gehwegen zur Verkehrssicherung außerhalb seines Grundstückes beizutragen. In diesem Fall ist eine Haftung des Eigentümers ausgeschlossen, wenn es auf dadurch zu Unfällen kommt (BGH, Urteil v. 21.2.2018, AZ: VIII ZR 255/16).
Winterdienst auf Mieter übertragen
Grundsätzlich ist der Hauseigentümer für die Räumung verschneiter Hauseingänge und Zuwege auf seinem Grundstück verantwortlich. Hat die Gemeinde oder Kommune die Verkehrssicherungspflicht an den Eigentümer übertragen, muss er auch die verschneiten und vereisten Geh- bzw. Zuwege, die an sein Grundstück grenzen durch Räumen und Streuen sichern. Wird der Dienst nicht durch den Vermieter selbst oder einen Beauftragten durchgeführt, kann der Vermieter diese aber über eine zulässige Klausel im Mietvertrag an den Mieter übertragen, beispielsweise in der zum Mietvertrag gehörenden Hausordnung (LG Karlsruhe, Urteil v. 30.05.2006, Az: 2 O 324/06).
Vorsicht: Überträgt der Vermieter den Winterdienst auf den Mieter, haftet der Mieter auch im Schadensfall. Bei Übertragung der Räum- und Streupflicht auf den Mieter empfiehlt sich also der Abschluss einer Haftpflichtversicherung.
Winterdienst im Mietvertrag
Die Übertragung des Winterdienstes vom Vermieter an den Mieter muss im Mietvertrag oder in der ausdrücklich damit einbezogenen Hausordnung vereinbart werden. Eine bloß mündliche Absprache reicht hier nicht aus. Auch die Aufstellung und das Einwerfen eines „Schneeräumplans“ in die Briefkästen der Mieter genügt in diesem Fall nicht (OLG Naumburg, Urteil v. 26.07.2012 , Az.: 9 U 38/12).
Hierbei wird nicht unterschieden, ob es sich nur um Mieter aus dem Erdgeschoss oder auch aus den höher gelegenen Stockwerken handelt. Wird die Streu- und Räumpflicht also auf die Mieter übertragen, müssen diese Aufgaben gleichmäßig verteilt werden, so dass keine Benachteiligung entsteht (OLG Frankfurt, Urteil v. 22.09.1988, Az.: 16 U 123/87).
Wichtig: Ist der Mieter an einem Tag nicht in der Lage, seiner mietvertraglich geregelten Räum- und Streupflicht nachzukommen, muss er für eine zuverlässige Vertretung sorgen.
Räum- und Streupflicht: Kontrollpflicht des Vermieters
Überträgt der Vermieter die die Streu- und Räumungspflicht auf den Mieter, ist er nicht automatisch von allen Pflichten befreit. Er hat immer noch eine Kontroll- und Überwachungspflicht. Er muss also auch kontrollieren, ob der Winterdienst tatsächlich auch in ausreichenden Umfang sowie regelmäßig durchgeführt wird (OLG Oldenburg, Urteil v. 13.03.2014, Az.: 1 U 77/13). Laut Urteil des Oberlandesgericht Hamm gelten dabei zwei- bis dreimalige Kontrollen pro Woche als verhältnismäßig. Eine monatliche Kontrolle durch den Vermieter reiche nicht aus (Urteil v. 16.01.2012, Az.: 1 6 U 206/11).
Kommt der Vermieter dieser Kontrollpflicht nicht nach, kann auch er im Falle eines Unfalls schadenersatzpflichtig werden. Für Vermieter empfiehlt sich daher der Abschluss einer Haus- und Grundbesitzer Haftpflichtversicherung, um eventuelle Schadenersatzforderungen abzufangen.
Winterdienst: Aufgaben
Zum Winterdienst gehört in erster Linie die Räum- und Streupflicht. Dabei müssen alle an das Grundstück angrenzenden Wege und Gehsteige geräumt und gestreut werden. Hierzu zählen aber nicht nur die Wege, die einen Zugang bzw. Zufahrt (z.B. Auf- und Abfahrten, Treppen etc.) zum Grundstück ermöglichen, sondern all jene, die angrenzend zum Grundstück liegen.
Der Bundesgerichtshof stellte dabei bereits vor Jahren den noch immer geltenden Grundsatz auf: Streuen ist bei Glatteis wichtiger als Fegen (BGH, Urteil v. 13.07.1967, Az: III ZR 165/66).
Die Gehwege müssen jedoch nicht vollständig von Eis und Schnee befreit werden. Bei normalen Gehwegen sollte eine Räumung im freiliegenden Bereich von 1 m bis 1,20 m erfolgen. Damit sei auch ausreichend Platz vorhanden, dass zwei Fußgänger nebeneinander passieren können (BGH, Urteil v. 09.10.2003, Az.: III ZR 8/0). Bei weniger frequentierten Gehsteigen oder Zugängen zu Mülltonnen reiche eine Räumung von 0,50 m (OLG Frankfurt, Urteil v. 22.08.2001, Az.: 23 U 195/00).
Wohin mit dem Schnee beim Räumen?
Schnee räumen ja, aber wohin mit dem Schnee? Vielerorts sieht man, wie die fleißigen „Winterdienstler“ den Schnee einfach auf die Straße räumen. Dies ist so nicht erlaubt, zumal es wiederum Gefahren für den Straßenverkehr herbeiführt. Der Schnee sollte also innerhalb der Gehwege „verräumt“ werden.
Winterdienst: Uhrzeit
Der Winterdienst hat so zu erfolgen, dass zwischen 7 Uhr morgens und 20 Uhr abends die Gehwege frei von Schnee und Eis sowie gestreut sind (OLG Hamm, Urteil v. 21.12.2012, Az.: I-9 U 38/12). An Wochenenden und Feiertagen sollte der Winterdienst bis spätestens 9 Uhr erfolgen. An Orten mit hohem Publikumsverkehr, wie etwa Restaurant, Kinos oder Discotheken muss auch noch nach 22 Uhr gestreut werden (BGH, Urteil v. 02.10.1984, Az.: VI ZR 125/83).
Wie oft muss man streuen?
Wie oft in dieser Zeit geräumt und gestreut werden muss, wird nicht gesetzlich festgelegt. Es soll lediglich gewährleistet sein, dass die Gehwege gefahrlos passierbar sind. Grundsätzlich sollten die Wege morgens geräumt und gestreut werden. Tagsüber sollte dann kontrolliert und gegebenenfalls nachgeräumt und nachgestreut werden.
Bei Dauerschneefall oder Gefrierung sollten die Geh- und Zuwege in regelmäßigen Abständen von Schnee und Eis befreit werden. Hier wäre es unzumutbar, wenn die Räumpflicht und das Streuen permanent erfolgen würden, da diese auch bei Extremwetterlage nicht sinnvoll wäre. Unverzüglich nachdem der Schneefall oder Eisregen endet, sollte wieder geräumt und gestreut werden. Bei starken Schneefall muss dies laut Bundesgerichtshof mehrmals pro Tag geschehen (BGH, Urteil v. 27.11.1984, Az. VI ZR 49/83).
Vorsorglich Streuen?
Grundsätzlich besteht die Streupflicht erst bei konkretem Eisbefall, da es wenig sinnvoll erscheint, trockene Gehwege zu streuen. Besteht aber aufgrund der aktuellen Wetterlage der konkrete Verdacht, dass Glatteis entstehen wird, kann auch hier vorsorglich gestreut werden.
Welche Streumittel sind erlaubt?
Bei den meisten Leuten hat sich das Streusalz als geeignetes Streumittel eingebürgert. Dabei darf das Streusalz in den meisten Fällen nur eingeschränkt oder gar nicht verwendet werden, da es nicht gerade als sehr umweltfreundlich gilt. Vielerorts ist das Streusalz sogar gesetzlich verboten. Auch Holzspäne sind laut Urteil des Oberlandesgerichts Hamm ungeeignet (Urteil v. 24.11.2014, Az.: 6 U 92/12)
Regelmäßig sollten als geeignetes Streumittel also nur
- Rollsplitt,
- umweltfreundliches Granulat oder
- Sand
verwendet werden.
Wer muss Streugut stellen?
Grundsätzlich muss der Vermieter für die Beschaffung des Streuguts und der nötigen Werkzeuge, wie Schneeschaufel und Co. Sorge tragen. Die Kosten können nicht ohne Weiteres auf den Mieter übertragen werden. Durch die Übertragung des Winterdienstes auf den Mieter wird keineswegs auch die Pflicht zur Kostenübernahme der nötigen Materialien übertragen, sofern dies nicht ausdrücklich im Mietvertrag geregelt ist (AG Wuppertal, Urteil v. 03.02.1982, Az.: 31 C 500/81).
Missachtung des Winterdienstes: Bußgeld
Ob Kommune, Vermieter oder Mieter: Wer seine Verpflichtung zum Winterdienst missachtet, muss im Falle eines Unfalls gemäß §823 BGB ggf. mit Bußgeldern oder Schadenersatzforderungen rechnen (BGH, Urteil v. 22.01.2008, Az.: VI ZR 126/07). Allerdings ist hierbei der gestürzte Passant in der Beweispflicht und muss darlegen können, dass der Winterdienstpflichtige seinen Pflichten nicht nachgekommen ist.
Leichtfertige Fußgänger tragen Mitschuld
Allerdings gilt auch, dass Passanten bis zu einem gewissen Grad eigenverantwortlich handeln müssen. Laut Urteil des Landgerichts Trier tragen Fußgänger, die einen sichtbar nicht gestreuten Gehweg betreten, eine Mitschuld an daraus resultieren möglichen Verletzungen. Dadurch kann sich der Anspruch auf Schadenersatz gegen den Winterdienstpflichtigen schmälern (Urteil v. 13.11.2003, Az.: 3 S 100/03).
Nehmen Fußgänger eine Abkürzung über ein nicht gestreutes Privatgelände und stürzen dabei, können sie in der Regel keinen Anspruch auf Schmerzensgeld geltend machen (Urteil v. 16.05.2013, Az.: 6 U 178/12).
Häufige Fragen zum Thema
Was muss man beim Winterdienst machen?
Zum Winterdienst gehören in erster Linie die Sicherung von Hauseingängen und angrenzen Geh- und Zuwegen. Dies beinhaltert sowohl die Beseitigung des Schnees als auch das Streuen der betroffenen Flächen mit geeignetem Streumaterial wie Sand oder Rollsplitt. Bei normalen Gehwegen sollte eine Räumung im freiliegenden Bereich von 1 m bis 1,20 m erfolgen. Für weniger frequentierte Wege reicht die Räumung von 0,5 m.
Kann Winterdienst auf Mieter umgelegt werden?
Der Vermieter kann seine Verkehrssicherungspflicht auf den Mieter übertragen – allerdings nur über eine ausdrückliche Vereinbarung im Mietvertrag. Ist die Pflicht zum Winterdienst auf den Mieter übertragen, muss dieser sie auch ausführen und bei Abwesenheit für eine Vertretung sorgen.
Bis wann muss der Winterdienst gemacht werden?
Grundsätzlich sollte der Winterdienst so erfolgen, dass verschneite Areale zwischen 7 Uhr morgens und 20 Uhr abends frei von Schnee und Eis sowie gestreut sind. An Wochenenden und Feiertagen sollten die Wege bis spätestens 9 Uhr morgens gesichert sein.
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